Samstag, 24. Januar 2015

Ein Portraite aus Nkongsamba: Marcel der Schuster

Marcel ist Schuster in Nkongsamba. Er hat seinen kleinen Tisch mit verschiedenen Schuhen, die zu reparieren sind, seine Werkzeuge wie einen Hammer, Stricknadeln, festen Faden, Pinsel und Leim dabei und eine kleine Bank auf der er und ab und zu auch seinen Kunden sitzen.

Meine Schuhe gingen aus dem Leim und waren es eigentlich auch nicht mehr wehrt, geklebt zu werden, aber ich mochte sie und das Blau der Schuhe passte  gut zu einigen meiner Sachen. Also gab ich sie Marcel zu kleben und nähen. Mit seinem fachmännischen Auge schaute er sie an, er weitete die Leimstellen und nannte mir den Preis: 500 CFA (1 Euro). Ich habe Ihn gebeten, die Arbeit gleich zu machen, denn mein Bus würde ca. in einer Stunde fahren. Marcel machte sich in der heißen Mittagssonne also ans Werk und öffnete erst den einen Schuh sorgfältig, klebte, hämmerte und nähte dann, danach den zweiten Schuh. In dieser Zeit nahm ich auf seiner Bank Platz.

Er hat mir erklärt, dass die Schuhe genäht würden, damit der Leim bei Regen und Staub trotzdem eine Chance hat zu halten. Seine geschickten Handgriffe zwängen den Faden durch die Schuhsohle, die er erst anritzte, und verbargen ihn sogar wieder unter ihr. Damit der Faden nicht zu sehen war und sich abtrat. Seine Finger schienen zäh und von seiner ledrigen Haut umgeben,

noch mehr eingezwängt zu sein. Dennoch waren seine Handgriffe flink und schnell. Nebenbei hat Marcel mich gefragt, ob ich verheiratet sei und Kinder hätte? Er suche wieder eine Frau. In der typischen schelmischen Art für hier stellte er diese Fragen und schaute kurz von seinem Handwerk auf. Dann erzählte er mir seine Geschichte. Marcel hatte bereits eine Frau mit der er drei Kinder großgezogen hatte. Wahrscheinlich verdient er nicht viel mit seinem Handwerk, man kann wohl mit 5 - 6 Euro am Tag rechnen, wenn man auf die Preise und Reparaturen schaut. Aber es ist natürlich insgesamt schlecht zu kalkulieren. Marcel wollte seine Kinder unbedingt nach dem Abitur eine weitere Bildung ermöglichen. Seine Frau, so erzählt er mir, fand dies viel zu teuer. Beide hatten sich immer wieder darüber geschritten, bis sich Marcel schweren Herzen dazu entschied, seine Kinder zu unterstützen und seine Frau zu verlassen. Jetzt sei er mit seinen Kindern alleine und kümmere sich um sie.
Ganz stolz erzählte er mir jetzt, welche Richtungen die Kinder an der Universität studierten und wie gut sie ihre Prüfungen absolvierten. Unvorstellbar von solch einem kleinen Gehalt, das Marcel wohl jeden Tag nach Hause brachte. Aber vielleicht hatte Marcel noch weitere Verdienste oder andere Stützen in der Familie. Er hätte seinen Kindern auch versprochen, erst wieder eine Frau zu heiraten, wenn er seine Lebensfreude wieder gefunden hätte. Er schaute wieder auf von seiner Arbeit, mit dem zweiten Schuh fast fertig, heute sei er besonders erfreut mit mir über seine Geschichte zu reden. Und wieder huschte dieses kleine schelmische Lächeln über sein Gesicht. Als ich ihn bat, ein Foto von ihm und seiner Arbeit machen zu können, versuchte er zu verhandeln, wie er dann ein Foto von mir bekommen könne, wenn ich mich an ihn erinnern könnte, er aber nicht. Kleine Meerjungfrau nannte er mich und überreichte mir meine Schuhe. Innerhalb von einer dreiviertel Stunde hatte er beide Schuhe repariert und ich konnte sie wieder anziehen. Dieses Mal waren sie um eine Geschichte reicher. Ich zahlte Marcel den doppelten Preis, damit er seine Kinder finanzieren könne. Als ich zurück zu meinem Bus ging, um zu schauen, ob wir bald fahren würden und Marcel dann nochmals grüßen wollte, waren sein kleiner Tisch, die Bank und all seine Utensilien schon längst verschwunden. Als ob er nie dagewesen wäre. Morgen würde er wieder dasitzen und ich fragte mich, ob seine Geschichte wahr war, ob er wahr war - denn die Mittagshitze hatte mir doch stark die Sinne vernebelt. Aber meine Schuhe waren repariert.


Samstag, 10. Januar 2015

Sprachlos: "What about us?"

In vielen Punkten ist Kamerun eine sehr interessante Erfahrung und bietet immer wieder einen Blick auf ein manchmal einfacheres und auch entschleunigteres Leben. Dieser Artikel soll jedoch von einem Aspekt sprechen, der einfach nur sprachlos, wütend und traurig macht.

1. Chinesen sind hier im ganzen Land verteilt und fördern die Infrastruktur, um Ressourcen in großen Mengen abzubauen und sie in ihr eigenes Land zu transportieren. Das ist allgemein bekannt. Sie bieten Straßen und Brücken, einen Tiefseehafen sogar, dafür werden Bodenschätze und andere Ressourcen verkauft. Sie sind Gäste in Kamerun, genau wie ich. 
Vor ca. zwei Wochen beobachtete ich eine Gruppe Chinesen in einem Restaurant. Sie aßen und tranken, bis die Bierdosen alle waren. Dann drehte sich einer um und hielt im ganzen Restaurant Ausschau, nahm seine Bierdose und warf sie über das Geländer auf den Strand. Der Rest der Gruppe applaudierte und fand diese gesamte Szenarie sehr lustig. Mit welchen Hintergedanken solch ein Verhalten als positiv zu bewerten ist, bleibt hochgradig bedenklich. Wir waren total schockiert und einer von uns musste schlussendlich die Bierdose einsammeln, um sie zurück auf den Tisch zu bringen. Eine verstörte und verhaltene Reaktion war die Folge. Für mich bleibt es völlig unklar, wie man sich in einem fremden Land oder auch dem eigenen so verhalten kann, zumal wir in einem Restaurant waren, dass den Müll entsorgen würde. Mit welcher Dreistigkeit eine Bierdose einfach auf den Strand geworfen wird, nur weil es Spaß macht oder Applaus einbringt, machte mich sprachlos.

2. Ein Kameruner frug mich am Strand nach Wasser. Ich war gerade bei einem Strandspaziergang und hatte eine große Flasche Wasser bei mir. Natürlich schenkte ich ihm meine gesamte Flasche. Der Kameruner jedoch trank die Flasche aus, um sie dann einfach in den Sand zu stellen und weiterzugehen. Dies konnte ich natürlich nicht zu lassen, leider war er zu schnell weg, als dass ich noch etwas hätte sagen können. Aus Wut sammelte ich alle Flaschen ein, die ich am Strand finden konnte.

3. Ein Bericht einer Bekannten: Die Gruppe war mit Paddelboten auf dem Atlantik unterwegs und sie begegnete einem Fischerboot. Die Fischer zeigten ganz stolz eine alte Meeresschildkröte, die sie gefangen hatten. Gefesselt japste das arme Tier nach Luft. Die Fischer waren sehr stolz und wollten das Tier gleich auf dem Markt verkaufen, denn man kann mit solch einer Schildkröte ordentlich Geld machen. Wilderei ist zwar verboten, finanziert sich dennoch besser, als natürliche Fischerei. Auf ein dringliches Bitten die Schildkröte doch wieder freizulassen, wurde eher verstört reagiert. Denn diese Schildkröte bringt immerhin 12.000 CFA, das sind ca. 20 Euro. Diese Geschichte macht mich wütend und traurig zugleich. 

Ein Bewusstsein für die Welt, die uns umgibt, trifft man hier selten. Denn es ist alles noch da und wächst. Dass der Regenwald den Kamerunern gehört, ist völlig verständlich. Denn  seit Jahrhunderten haben sich die Menschen hier vom Wald und Meer ernährt. An diesem Punkt anzusetzen und zu kritisieren, ist anmaßend. Mit den globalen Forderungen jedoch, entsteht ein Ungleichgewicht. Ressourcen werden abgebaut oder in einem Maße zerstört, indem die Natur sie nicht regenerieren kann. Es gibt kaum Projekte die Wiederaufforstung in Kamerun unterstützen. Ein Projekt, welches in den Kinderschuhen ist, unterstützt die Aufforstung von Wäldern, aber nicht mit einheimischen Hölzern. Denn dazu gibt es zu wenig Wissen.
Das Gesetz 2014 keine Plastiktüten mehr zu verwenden, hatte etwa einen Monat Wirkung gezeigt. Doch dann nahmen die Plastiktüten wieder zu, da keine Alternative geboten wurde, wie beispielsweise Einkaufsbeutel aus Stoff. Und auch die Kontrollen und Strafen nachließen.

Es macht traurig, es macht wütend und es macht sprachlos. Denn man kann Bewusstsein nicht einfach so schaffen. Bewusstsein entsteht meistens erst dann, wenn es wirklich brenzlig wird oder zu spät ist. Viele Dinge sind undurchsichtig geworden und manchmal scheinen sie im Kleinen ok, aber das Große, was sich dahinter verbirgt, ist nicht gut. Umweltbewusstsein ist etwas, was man nicht nur denken, sondern auch leben sollte: Wenn nicht für unsere Generation, dann für die nächsten!

Donnerstag, 1. Januar 2015

Kaffeegenuss und Kaffeeernte

© c.d. Kaffeeernte
Jeder weiß, dass wir in Deutschland gern und viel Kaffee konsumieren. Bis jetzt hatte ich noch keine Arbeitsstelle, an der es nicht als wichtigstes Utensil in der Küche eine Kaffeemaschine gab und mindestens zur Frühstücks- und Mittagspause die Kaffeekanne voll und ganz schnell leer war. Ein halbes Kilo Kaffee gibt es glaube ich ab 2 bis 3 Euro im Supermarkt zu kaufen. Wie viele Bohnen wohl in einem halben Kilo Kaffee enthalten sind? Gestern habe ich spekuliert, dass man wohl mindestens 50 Kaffeefrüchte für eine Tasse braucht. 50 Kaffeefrüchte sind bei einem gut bestückten Kaffeebaum etwa 10 Minuten Arbeit, bei einem nicht ganz so gut gewachsenem und weniger vollem Baum können das auch gut und gerne 30 Minuten Arbeit sein. (Wohlgemerkt für eine ungeübte Arbeiterin wie mich.)

© c.d. Nach einer halben Stunde
Gestern habe ich auf einer Kaffeeplantage geholfen Kaffee zu ernten. Die Kaffeeplantage wurde einige Jahre nicht gepflegt und der neue Besitzer ist jetzt dabei, sie wieder herzurichten. Das heißt, die Arbeit war wohl doppelt anstrengend, denn die Kaffeebäume hatten Wucherungen, an die man schlecht rankam. In den höchsten Zweigen hing aber der beste Kaffee. Außerdem gab es bei einigen Bäumen viele Armeisen, die es nicht gut fanden, dass man ihre Früchte von den Bäumen holen wollte. Also hatten wir lange Kleidung trotz hoher Temperaturen an, damit uns die Armeisen und Insekten nicht zerstechen und zerbeißen konnten.

©  c.d. Nach drei Stunden Arbeit
Der Ertrag nach 4 bis 5 Stunden Arbeit war ein drittel Sack voll Kaffeebohnen, unterschiedlichster Reife. Einige waren grün, andere hatten schon kaum noch eine Schale, weil sie am Baum getrocknet waren. Jede
einzelne Frucht wird mit der Hand vom Baum gepflückt. Dabei hängen mindestens 5 bis 15 Kaffeebeeren an einer Stelle. Man muss also aufpassen, dass sie dann auch nicht runterfallen, wenn man sie versucht gesamt zu ernten. Denn einmal auf dem Boden findet man sie in dem üppigen Bodenbewuchs kaum wieder.

© c.d.
© c.d. In der Trockenzeit müssen auch
Palmen gegossen werden. 
Die Kaffeefarm, so wird die kleine Kaffeeplantage hier genannt, war ca. 2,8 Hektar groß. Gefühlt haben wir gestern die Hälfte davon geschafft zu bearbeiten. Unser Pausenplatz war eine alte Palme, die Schatten spendete und eine Dose voll Reis und Tomatensauce wurde uns mitgegeben, als Wegzehrung. Die Farm war irgendwo im Regenwald. An einem kleinen Dorf vorbei kommt man zu einem Stück Land, dass Menschen urbar gemacht haben. Dort pflanzen sie dann ihre jeweiligen Produkte. Meistens gibt es auf einem Feld mehr als nur eine Pflanzenart. Die Kaffeeplantage wird momentan zum Beispiel auch mit Palmen für Palmenöl bepflanzt. Auf die Farm fährt man dann wie man Zeit hat, um zu arbeiten. Wir sind zu dritt mit dem Motorrad gefahren und hatten sogar noch Gepäck - unsere Kaffeeernte und zwei Macheten - aufgeladen.
© Motorradfahrt

Den Kilopreis für den Verkäufer habe ich noch nicht in Erfahrung bringen können. Er meinte nur, dass sich Kaffeeproduktion wegen der geringen Abnehmerpreise kaum noch lohnt. Ein trauriges Phänomen bei der ganzen Sache, Kaffee wird hier kaum konsumiert. Obwohl es guter Kaffee ist, wird der meiste Kaffee verschifft und Nescafé hält Einzug und ist einer der größten Kaffeeanbieter - natürlich nur löslicher Kaffee.